Ich bin ja ein Katzenmensch. War ich schon immer. Also, grundsätzlich mag ich ja alle Tiere – je nach Gruselfaktor oder Lebensbedrohlichkeit natürlich mit entsprechendem Respektabstand. Aber als Haustier wär die Wahl eindeutig. Das wäre eine Katze. Oder ein Quokka. Das sind diese Mini-Kängurus, die immer dreinschauen, als würden sie grinsen. So putzig! Aber falscher Kontinent. Andere Geschichte.
Zurück zur Katze. Lieblingstier und so. Vielleicht, weil ich im Sternzeichen des Löwen geboren wurde und daher selbst ein paar Katzeneigenschaften in mir trage. Tendenziell eher das viele Schlafen und raunzen, wenn die Futterschüssel leer ist, als der grazile Katzengang.

Whatever. Katze.
Mögt ihr das eigentlich auch nicht, wenn in Filmen oder Serien Tiere ums Leben kommen? Menschen, Aliens, Zombies… Blut, das splatter-movie-mäßig nur so spritzt – jo mei. Aber unschuldige Tiere als Opfer? Jetzt ehrlich! Wer hat nicht geheult, als Artax in der unendlichen Geschichte starb? Oder Will Smith seinen Hunde-Wegbegleiter in ‚I am Legend‘ töten musste, weil er zum Zombie mutierte?
Sogar das Singvögelchen, das Prinzessin Fiona in Shrek mit ihrer Stimme zum Explodieren brachte, konnte sich meiner Trauer gewiss sein. Auch wenn’s nur animiert war. Ist das für die Spannungskurve eines Films wirklich relevant? Übrigens: was ich in dem Zusammenhang mit Sicherheit weiß ist, dass ich mir in diesem Leben sicher nie ‚Hachiko‘ ansehen werde – wahre Begebenheit und ich weiß wie’s ausgeht … nönönö, sicher nicht!
Ich schweife schon wieder ab. Sorry. Wobei – irgendwie auch nicht. Schließlich geht es um eine tote Katze. Die vielleicht noch lebt. Das weiß aber keiner, solange niemand nachsieht. Klingt sogar irgendwie logisch. Aber warum musste Schrödinger für sein Gedankenexperiment ausgerechnet eine Katze nehmen? Warum nicht einen Hamster? Wäre auch auch tragisch und unnötig… aber… eine süße, kleine Miezekatze?!
Erwin Schrödinger. Österreichischer Physiker und Nobelpreisträger. Ich persönlich kannte den Namen schon als Kind. Aber nur, weil sein Bild auf der 1.000-Schiling-Banknote verewigt war, der umgangssprachlich „Schrödinger“ genannt wurde und bei uns daheim eher eine Seltenheit war. Falls ich das mit der Katze mal in der Schule gehört habe, habe ich es genauso schnell wieder verdrängt. Vermutlich wegen meiner Katzenaffinität und dem Gräuel der Vergiftung. Verstanden habe ich das Experiment erst durch ‚The Big Bang Theory‘. Da soll noch einmal einer sagen, Fernsehen bildet nicht!

So. Damit wir alle vom selben reden, hier das Experiment kurz erklärt. Keine Sorge. Ich bin kein Physiker, ich erkläre das in einfachen Worten. Auch auf die Gefahr hin, dass Kenner der Materie über diesen Text stolpern und sich die Haare raufen, weil ich etwas nicht korrekt wiedergebe – sorry folks, nobody is perfect…
Man nehme eine Stahlkammer, und sperrt eine Katze mit folgender Konstruktion darin ein: in einer Art Geigerzähler befindet sich eine winzige Menge einer radioaktiven Substanz. So wenig, dass innerhalb einer Stunde vermutlich zumindest eines der Atome zerfällt – vielleicht aber auch nicht. Zerfällt ein Atom, spricht der Geigerzähler an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das einen kleinen Kolben mit Blausäure zertrümmert. Klar soweit?
Von außen ist nicht erkennbar, ob ein Atom zerfallen ist oder nicht, oder ob die Katze lebt oder tot ist. Also ist die Katze gleichzeitig tot und lebendig – bis jemand die Kammer öffnet und nachsieht – quasi eine Ergebnismessung durchführt. Ich denke wir sind uns einig, dass uns eine gleichzeitig lebendig und tote Katze doch einigermaßen paradox erscheint. Das wollte Schrödinger damit aufzeigen. Dass die aktuelle Interpretation der Quantenmechanik Schwachpunkte auf die physikalische Realität aufzeigt. Das war’s jetzt auch schon wieder mit dem Geschichts- und Physik-Unterricht.

Ich nehme an, die meisten haben mittlerweile das Lesen dieser Geschichte schon aufgegeben, weil sich ihnen der Sinn nicht erschließt. Tja meine Lieben, ihr habt keine Ahnung, was da in meinem Kopf so alles durchrattert! Das muss alles raus! Und manchmal auch in einer etwas chaotischeren Form, so wie hier! Aber ich verspreche euch, es gibt ein Fazit, eine Erkenntnis aus dem Ganzen…
Nämlich… (Hört ihr auch den Trommelwirbel?) Sind Menschen, auf der Suche nach Liebe, nicht auch wie diese Katze? Diese philosophisch anmutende Fragestellung haut euch jetzt von den Socken, stimmt’s?
Geliebt zu werden, ist ein emotionales Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Das ist ein Fakt. Hinter jedem Konflikt, jedem Ärger, Neid oder Hassgefühl steckt schlussendlich ein Bedürfnis, das in diesem Moment, in dieser Situation, nicht erfüllt wird. Und das Bedürfnis, geliebt, geachtet, wertgeschätzt zu werden – das poppt in jedem von uns auf. Mehr oder weniger. Kommt darauf an, was man im Laufe seines Lebens alles erlebt hat.
Spinnen wir doch diese alternative Version dieses Gedankenexperiments weiter. Es fängt schon damit an, dass wir uns von Haus aus schon einmal freiwillig in die Stahlkammer setzen. Weil wir geliebt werden wollen. Eigentlich auch sehr Katzen ähnlich. Eine Katze würde aufgrund ihrer angeborenen Neugierde freiwillig in jede Box, Schachtel oder Kammer marschieren. Womit jetzt auch klar ist, warum Schrödinger die Katze als Versuchstier auserwählt hat. Neugierige Samtpfoten = kein Widerstand. Wie praktisch.

So. Weiter im Text. Unser Gefühlsleben – das ist die radioaktive Substanz. Weder das Ende unseres Lebens oder einer Partnerschaft, noch die Halbwertszeit ist uns bekannt. Es kann uns alle jederzeit treffen, dass wir den letzten Atemzug tun und uns von der Welt der Lebenden verabschieden müssen. Oder eine Partnerschaft aus welchen Gründen auch immer in die Brüche geht.
Und doch: wenn das Einschließen in der Stahlkammer auch nur eine 50%-Chance bedeutet, um seiner Liebe, seinem Lebensmenschen zu begegnen? Die Alternative außerhalb der Stahlkammer wäre ein Leben ohne Chance auf Liebe – wer würde sich nicht trotzdem in die Kammer begeben?
Wenn die Katze jetzt ein bisserl tollpatschig ist, spielt sie vielleicht mit der Giftampulle und zerbricht sie gleich, dann hat sich das Experiment auch gleich erledigt. Und damit meine ich jetzt nicht das Leben an sich, sondern eine Beziehung. Da kann man nur froh sein, dass Katzen neun Leben haben. Auf das menschliche Gefühls-/Liebesleben kann man das ebenfalls wieder recht anschaulich umlegen.
Bei jedem Treffen mit einem potentiellen neuen Partner sitzen wir doch automatisch in dieser Stahlkammer. Stecken in einem Paradaxon von Beziehung und Nicht-Beziehung fest. Sympathie und Antipathie. Wie gut versteht man sich? Gibt es eine Reaktion, die berühmte „Chemie“, von der auch gerne gesprochen wird? Prickelt es, kommt man sich näher. Verabschiedet man sich mit einem Küsschen auf die Wange? Oder einem richtigen Kuss? Das Gefühl dazu kann man wohl mit dem gemessenen Ergebnis des Experiments vergleichen. Der potentielle neue Partner öffnet die Stahlkammer und sieht nach.

Im Optimalfall schnurrt einem die Miezekatze entgegen, die Chemie mit all ihren Folgeaktionen kann beginnen, die ersten zarten Beziehungsbande zu knüpfen. Wir – respektive die Katze – stolzieren aus der Stahlkammer und genießen die frische, neue Liebe, die hoffentlich happily ever after währt. Worst case? Da liegt ne tote Katze in der Kammer.
Ich glaube, dass es jeder von uns lebendig aus der Box schaffen kann. Vielleicht nicht, wenn das erste Atom zerfällt – aber deshalb hat die Katze auch mehr Leben. Ich bin ein großer Optimist. Es muss viel passieren, dass ich die Hoffnung verliere. Einen gewissen Hang zur Romantik habe ich auch (aber ich kann auch unromantisch sein). Optimale Voraussetzungen, um dieses Gedankenexperiment in die Welt hinauszutragen und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Jede Beziehung, egal wie lang sie dauert, lässt uns lernen und wachsen. Sogar die kurze Zeit bis zum Öffnen der Stahlkammer kann uns schon einiges über uns verraten. Wie man agiert, reagiert. Was einem gut tut, was nicht. Was man bereit ist zu ändern, wo man keine Kompromisse eingeht.
Mein Fazit? Liebt das Leben, und lebt die Liebe. Ob nun die romantische Liebe zu eurem Partner, die platonischen Liebe zu euren Freunden oder die bedingungslose Liebe zu euren Kindern, eurer Familie. Seid für alle Formen der Liebe offen, und habt immer wieder den Mut und die Neugierde, erneut in die Stahlkammer zu steigen, wenn eure letzte Liebe nicht „die eine“ war, die ewig währt. Und das Aller wichtigste: Liebt euch selbst, erst dann könnt ihr auch andere lieben. Und passt auf eure Miezekatzen auf!
Verfasst im August 2021
Schönes Kopfkino. Danke.
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